Wir freuen uns, Sie zu unserer Vernissage
TafelRundeDerMenschenOpfer von Hans Holle
am 29.September 2017 einladen zu können, der Künstler wird anwesend sein
„Holles Werke erzählen uns immer wieder, dass alles anders ist, erzählen uns immer wieder, was wir nicht wissen und immer wieder vergessen.
Seine Grafiken, Ölbilder und Aquarelle sind Protokolle lebendiger Erfahrungen. Die Begegnungen mit den Radierungen von Asper Jorn, mit dem Werk Schumachers und Höhne, aber auch mit der Musik eines John Cage und der Weite der Insel Langeland sind in seinen Werken verdichtet.
Seine Bilder zeigen uns eine Dialektik von Lebensverhältnis und Ausdrucksgestalt. Er dringt mit seinen Arbeiten in die Tiefe der inneren Realität und für uns an ihr erfahrbar, was das Allgemeine einer Situation repräsentiert.
Dies setzt voraus, dass das Medium der spezifischen Materialität der Ausdrucksgestalt technisch beherrscht wird wie eine Sprache. Hans Holle beherrscht seine Techniken in hohem Maße; er jongliert mit den Ebenen auf allen Ebenen, ein Meister der Drucktechniken. In seinen Radierungen nutzt er unterschiedliche Drucktechniken wie Kaltnadelradierung, Aquatinta, Strichätzung häufig für ein einziges Bild.
Holles Werke sind im Laufe der Jahre differenzierter und trotzdem strukturierter geworden; Anleihen an japanische Subtilität lässt sich erahnen, Seine Radierungen, die in der Zeit reifen, sind Vergegenwärtigung vitaler Erinnerungsspuren mit einer unerhörten Präsenz da die polyvalenten Wesen zugleich vieles darstellen. Die gestischen Verdichtungen, Übermalungen und Durchkreuzungen geben den Blick auf den „Riss im Subjekt“ preis.
In Holles Arbeiten kommt es zu einer Verfremdung der alltäglichen Seherfahrung durch unbewusste Erfahrungsgeschichten. Die in den Bildern vorgefundene symbolische Form leistet die Vermittlung von Erfahrung und Erinnerung, die alle als gegenläufige Spuren von Zeichen wirken. Der Rhythmus wird als zentrale Kategorie des Leibwissens manifestiert und stellt sich im Bild als Zeitgestalt dar.
Oft hat ein Bild die Gestalt eines Rechtecks, wird es von dieser Form eingefasst. Verblüffend ist die räumliche Wirkung, die auf einer Fläche ein Bildteil, ein Partikel erzielen vermag. Erlesen, delikat und höchst diffiziel ist die Farbgebung; ein Rot ist mit Blau und Schwarz unterlegt. Perfektioniert ist die Strukturierung, die in einzelnen Radierungen fast musikalisch zu nennende feinnervige Komposition entstehen lässt. Was immer Hans Holle an drucktechnischer Rafinesse in seine Grafiken einbringt (z.B. das Aufmontieren mit Nessel oder Farbspuren mit einem Korken), nie entsteht beim Betrachter der Eindruck, hier hat er nun doch übertrieben; es bleibt stets eine authentische Spur an Individuellen.
Hans Holle hat einen langen Kampf mit dem Medium Leinwand geführt und – gewonnen. Seine Ölbilder sind Landschaften – innere und äußere. Welche bildnerischen Mittel stehen dem zeitgenössischen Maler zur Verfügung, um das Phänomen der Landschaft zu thematisieren. Eine abbildliche, mimetische Darstellung idealer Landschaften kann dies nicht mehr sein. Ein möglicher Zugang, den auch Hans Holle wählt, ist die Stimmung, die Gestimmtheit des Raumes. Er geht von der Gegebenheiten der Farbe und dem mit der Farbgebung verbundenen Gestus aus.
Hans Holle legt die Bildgestalt im Malprozess fest. Der Zufall wird in die Formentstehung integriert und macht den Mal Akt zu einer Interaktion des Künstlers mit der Farbe. Die autonome Farbe wird zur Metapher für die Dynamik der Naturkräfte, deren Formbildungen zu vieldeutigen Formen führen, wobei die Formelemente keine verweisende Funktion haben, sie verweisen auf sich selbst. Seine Farbpalette vermittlet den Eindruck von Mineralischem, Glühenden und Beweglichen und durch die Plastizität der Oberfläche wirken die Farbflecken dynamisch. Die zeitliche Seinsweise der Bilder ist das Präsens, denn es erscheint als Momentaufnahme eines Zustandes, der vorher anders aussah und sich jeden Augenblick verändern kann. Der Betrachter begibt sich auf eine endlose Entdeckungsreise durch die Fläche und durch die Bildschichten in die Tiefe. Holle spielt mit dem surrealistischen Mittel der Metaphorisierung, was bereits die Titel (ich erwähne hier nur „Brachland der Gesichter“, Papststuhl durchgesessen“) andeuten. Der den Bildern innewohnende Witz und Humor als auch die Aspekte des Sublimen ermöglicht dem Betrachter das Erlebnis überwältigender Geheimnisse.
Holles Aquarelle („Wasserhandlungen“) sind eher einfacher und transparenter Natur. Farbflecken, Striche, Gewischtes u.a. mehr erscheinen auf den ersten Blick chaotisch, entpuppen sicher aber allmählich als Bildwelten mit einem intensiven Eigenleben. Es sind Partituren voller Farbe, beeindruckend die Farbabstufungen. So etwa die Blau- und Grauabstufungen, von denen man tatsächlich meinen könnte, sie seien Töne, die zu klingen beginnen.
Hans Holles gesamtes Ouevre ist sowohl eine Einheit von Spannung, Subtilität und Kraft als auch von Geist, Ausdruck und Material. Die Blätter repräsentieren emotionale Zustände ebenso wie die Geschichte ihres Entstehens. Insofern sind sie nicht nur spontane Hervorbringung des künstlerischen Temperaments, sondern Protokolle geduldiger Archäologie des Bewusstseins und Spurensicherung einer real vorhandenen Wirklichkeit.
Hans Holle überschreitet im ästhetischen Prozess die bloße Identifizierung mit Bekanntem, nicht zuletzt durch seine leise Ironie und seinen Witz, und seine Malerei erlaubt uns, die Restriktionen des Alltags hinter uns zu lassen und die Freiheit der Sinneswahrnehmung zu realisieren, denn „nur im Ästhetischen können wir uns auf uns selbst zurückbesinnen und einen Schritt neben unseren eigenen Standpunkt treten und die Beziehungen unsere Fähigkeiten auf die Realität erfassen“. (Terry Eagleton) „
Alex Baumgartner