Graphorismen sind graphische Aphorismen
Die Zeichnung kann sprechen, wo dem Wort Grenzen gesetzt sind
Wir möchten Sie recht herzlich zur letzten Möglichkeit von Siegfried Strauchs Graphorismen einladen, leider kann der Künstler nicht anwesend sein, aber wir freuen uns diese mit viel Liebe zum Detail erstellten Bilder in unserer Galerie ausgestellt zu haben.
Der Künstler in eigener Sache:
Es ist eigentlich verdammt überflüssig zu einer Vernissage von Zeich-nungen eine Lebensbeschreibung abgeben zu müssen; denn es ist doch wurscht ob Tschaikowski oder Oskar Wilde schwul waren oder nicht, ob sich ein Maler ein Ohr abschnitt oder Goethe soff. Letzterer sagte treffend im Torquato Tasso „Bilde Künstler, rede nicht“. Das Werk muß sprechen. Und das tun bei mir wortlose Linien in Heiterkeit – denn: Ernst ist das Leben, heiter sei die Kunst. Oft ist sie es leider nicht. Wenn bei Auktionen Gemälde zu Millionenpreisen verhökert werden als Geldanlage für Banausen, dann wird die Holde verhurt (abgesehen davon, daß der Künstler davon leben muß). Darum verkaufe ich Druckvervielfältigungen. Kunst muß für jeden erschwinglich sein!
Nun zum Unabwendlichen. Zum Unterschied zu meiner Schwäche in Mathematik konnte ich gut zeichnen. Ich gewann einen Wettbewerb und durfte mit 16 „bekleideten Akt„ zu Papier bringen. Im Wettbewerb „See-fahrt tut Not“ gelang es mir, einen Viermaster in schäumender See so darzustellen, daß ich als Preis den Zoo in Berlin ein Jahr lang kostenlos zum Zeichnen besuchen durfte. Unsere nachmaligen Freunde warfen Bomben drauf (also auf alles) und damit war jede Nutznießung der NS-Zeit eliminiert, wie auch meine Lithographenlehre. Stattdessen lernte ich zu schießen.
Dafür mußte ich sieben Jahre büßen inmitten Not, Tod und Gefangen-schaft. Während letzterer verwandelte ich einen Stapel Klosettpapier (noch vorhanden und damit beweisbar) vermittels Tinte in Kunstprodukte über die sonst triste Umgebung; zumal sich diese Grundlage besser als zu dem angedachten Zweck eignete.
Als der tödliche Unfug mitsamt unrühmlichem Appendix sein Ende mit der Heimkehr auf dem Bahnhof Grunewald fand, sagte der ehemalige POW (prisoner of war) Günter, der jahrelang neben mir (PN – Me 172 361 Aegypt ‘personal number‘) auf dem Schlafsack in Camp 307 Cage 16 gepennt hatte: „Wir haben die ganze Scheiße hinter uns gebracht (warum? Wo doch so viele gute Kameraden gefallen sind..?) Wir haben Frieden (Was nicht stimmt,- weil es immer noch keinen Friedens Vertrag mit Deutschland gibt…) Wir werden niemals mehr einen Kommiß haben (den uns prompt ein ‘wahrscheinlich korrumpierter‘ Zivilist fünf Jahre später bescherte).
Trotzdem bin ich Demokrat. Selbst wenn meine Träume weinen…
Im also gereiften Alter vollendete ich meine Lehrzeit mit Klassengenossen, die meine Kinder sein könnten und einem fast gleichaltrigen Lehrer. Mein Zeugnis ist ein Unikat, weil ich als Letzter in Deutschland die Chromo-lithographie zu Grabe trug. Folglich setzte ich mich auf einen nassen Lappen und besuchte nach der Arbeit die „Meisterschule für Druck und Graphik“ ,was mir mit 27 erfüllten Jahren eine Abteilungsleitung ein-brachte. Weil dies eine Versuchsabteilung war, schrieb ich Berichte für den „Druckspiegel“ und für die „Offsetpraxis“ – quasi als Hand-gelenksübungen…
…was vom Hobby zur Lebenslustaufgabe führte: ich veröffentlichte drei (natürlich heitere) Gedichtbände bei Quorum „Die kleinen Dinge / Nur das Lächeln kommt zu kurz / Durchblick ist so eine Sache“. Als Dankeschön für meinen unbestechlichen Kritiker, der besten aller Ehefrauen, schrieb ich den Band Kurzgeschichten „Aber Du hörst ja nicht auf mich“ und bei Herbig „Das Neue Wilhelm Busch Buch“. Dieser hatte Bildsequenzen ohne Texte veröffentlicht, die mich (ich verstehe es heute noch nicht wie) zu Texthinzufügungen von 80 Versen innert dreier Tagen verführten. Weniger Glück hatte ich mit meinem Krimi „Die Unbekannte aus der Themse“ – der in Absicht eine okkulte Abrechnung mit den Zeitläuften ist. Wahrscheinlich geschah es zu früh. Überrascht las ich kürzlich eine Beurteilung mit fünf Sternen unter fünf möglichen bei Amazon. Die Zeit war für meine Projektionen noch nicht reif (2004 / Verlag Hager). So überlege ich eine Neuauflage… Überdies warten noch viele Manuscripte und weit über Tausend Gedichte auf ihre Niederkunft zwischen Buchdeckeln… und (unverfrorenerweise) eine Neufassung der Faustsage in 2265 Verszeilen.
Ausgestellt werden nun die heiteren Kinder meiner Phantasie. Im Gegen-teil zu den bierernsten Kinschtlern, die sich vom Publikum verbitten aus den Krinkeln á la Beuys was herauszulesen – ist mein Begehren gerade etwas zu entdecken! Ich entmündige mein Publikum nicht, ich will es animieren, wenn es geht amüsieren. Kinder sollen, was sie entdecken, ausmalen; es wurde sogar ein Spiel erfunden. Ein Blatt drei Sekunden zu zeigen… und wer die meisten Figurinen entdeckt ist Rundensieger! Darauf ein Prosit der Gemütlichkeit !!! Es muß nicht immer Glotze sein.
Ausgestellt werden hier auch weitere meiner Arbeiten als Beispiele.
Lassen Sie Ihre Augen einen Spaziergang machen. Zu dem ich Ihnen im altitalienischen Sinne spasso wünsche.
– Siegfried Strauch