Anwärter für den Goldenen Bären 2014 kommt aus Griechenland
Ein griechischer Film, bei dem auch die Dramatik griechische Ausmasse annimmt: «To Mikro Psari» (Kleiner Fisch) ist ein beeindruckender, langsam erzählter Film, der gerade deswegen packt. Ein Favorit der diesjährigen Berlinale.
Originaltrailer zum Film (auf griechisch):
Backen und Töten
Ein Mörder ist Stratos aus dem griechischen Beitrag «To Mikro Psari» von Yannis Economides bereits. Im Alltag arbeitet er in einer Backfabrik, ansonsten führt er Auftragsmorde aus. Das so verdiente Geld bekommt ein gewisser Yannis, der damit den offenbar von allen – und vor allem auch von Stratos – geschätzten Gangsterboss Leonidas mittels eines Tunnels aus dem Hochsicherheitsgefängnis holen will. Gleichzeitig versucht ein konkurrierender Unterweltsboss, Stratos abzuwerben.
Das alles erfährt man in diesem über zwei Stunden dauernden Film langsam und erst nach und nach. Die Perspektive bleibt komplett bei der Hauptfigur Stratos, einem hageren Typen mit sehr ausdrucksstarken Tränensäcken. Der sagt nur wenig, sitzt meistens mit etwas traurigen Augen da und hört zu, wie seine Gegenüber abwechselnd fluchen, schimpfen, bitten, auf ihn einreden. Diese Schimpfereien sind praktisch wiederkehrende Litaneien, die der ruhige Stratos stoisch über sich ergehen lässt.
Griechisch dramatisch
Stratos verliert seine innere Ruhe erst etwa in der Mitte des Films, als er einerseits merkt, dass er schamlos ausgenutzt wurde und dass andererseits seine Freunde und Nachbarn etwas Furchtbares mit seinem minderjährigen Nachbarskind vorhaben. Da beginnt es in ihm zu gären. Der Ausbruch ist in diesem Film nicht laut, und man wird lange darauf vorbereitet. Aber – wir sind ja in einem griechischen Film – er hat das Ausmass eines griechischen Dramas. Wie überhaupt die ganze Geschichte ein solches ist – die antiken Herrscherfamilien sind ersetzt durch die Gangsterkartelle und statt um Ehre geht es um Geld. Ein sehr zeitgenössisches griechisches Drama sozusagen. Für den einsamen Helden aber geht es letzten Endes um Gerechtigkeit, Loyalität, um Schuld und Sühne.
Ein eindrücklicher Film, für einige vielleicht etwas gar langsam erzählt. Regisseur Yannis Economides nimmt sich alle Zeit der Welt, um Stratos einzuführen. Und diese Zeit braucht man, um den Mann und seine Beweggründe richtig zu verstehen.
Ausserdem spielt der Film immer irgendwo am Rand – in einer bürgerlichen Vorstadt, in fast leeren Bars und Imbissen, in den Bergen, auf irgendwelchen Industriegeländen. Die Grossstadt Athen ist immer nur in der Ferne sichtbar, so dass man das Gefühl bekommt, das alles sei sehr existenziell und doch irgendwie immer etwas daneben. Ein starkes Bild für eine Gesellschaft, die immer am Rande des existenziellen Abgrunds steht und doch überleben muss.
Tja leider hat es nicht für einen Bären gereicht, aber sehenswert ist der Film allemal!